Bitcoins Narrative

Warum ich glaube das Bitcoin-Zitadellen keine gute idee sind

14.07.2023

bitcoinde
Gregor Wedlich
Gregor Wedlich
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Inhaltsverzeichnis

    Es ist vermutlich ein normaler Werdegang, dass sich Gemeinschaften ihre eigene Sprache und Bezeichnungen aneignen. Grundsätzlich ist das nicht verwerflich. Gerade dann wenn diese noch nach einer Identität suchen.

    Es sollte jedoch spätestens dann hinterfragt werden, wenn es möglicherweise Menschen ausschließt oder sogar rechte Narrative bedient. Daher möchte ich am Beispiel der "Bitcoin-Zitadelle" darauf eingehen und erklären, warum ich sie für gefährlich halte.

    Bitcoin-Zitadellen

    Das Konzept der "Bitcoin-Zitadellen" ist ein futuristisches Szenario, das in der Bitcoin-Community diskutiert wird. Es basiert auf der Idee, dass, wenn der Wert von Bitcoin weiter steigt, es zu einer neuen Gesellschaftsordnung führen könnte. In dieser leben Menschen, die früh in Bitcoin investiert haben, in befestigten Städten (Zitadellen). Diese Städte würden als Zufluchtsorte dienen, um die Reichtümer und den Lebensstil der Bitcoiner:innen zu schützen.

    Lina Seiche Citadel Source: Lina Seiche https://thelittlehodler.com/de/gallery/

    Im Jahr 2013 veröffentlichte ein Reddit-Benutzer namens Luka Magnotta einen Beitrag, in dem er behauptete, ein Zeitreisender aus dem Jahr 2025 zu sein. Er beschrieb eine dystopische Zukunft, in der Bitcoin-Investoren in befestigten Städten, den sogenannten "Bitcoin Zitadellen", leben.

    Zusammengefasst beschreibt der Artikel von Magnotta die Zukunft als eine extrem ungleiche Gesellschaft. In dieser ist Bitcoin so wertvoll geworden, dass nur diejenigen, die in Bitcoin investiert haben, überleben.

    Es ist wichtig zu erkennen, dass das ursprüngliche Konzept als dystopische Warnung gedacht war, aber von einigen in der Community als utopisches Ideal aufgegriffen wurde. Der Artikel legt nahe, dass, während einige das Konzept buchstäblich nehmen, es für viele eine Metapher für finanzielle Souveränität und Unabhängigkeit von traditionellen Regierungen und Finanzsystemen ist. Es gibt auch Beispiele für tatsächliche Versuche, solche Gemeinschaften zu schaffen, obwohl diese nicht erfolgreich waren (Bitcointopia, MS Satoshi). Auch wenn hier wichtig ist zu erwähnen das dass Scheitern nicht auf Bitcoin zurückzuführen war sondern vielmehr etwas mit den Menschen welche diese Projekte durchführten zutun hatte.

    Ein Beispiel (wenn auch nicht direkt bezugnehmend auf Bitcoin) für solche Gemeinschaften aus der Gegenwart sind die sogenannten "Private Cities". Private Cities sind städtische Gebiete, die von privaten Unternehmen statt von Regierungen verwaltet werden. Diese Unternehmen sind dafür verantwortlich, grundlegende Dienstleistungen wie Sicherheit, Infrastruktur und Versorgungseinrichtungen bereitzustellen. Die Idee hinter Private Cities ist es, effizientere und wettbewerbsfähige städtische Umgebungen zu schaffen, indem man die Bürokratie reduziert und mehr unternehmerische Freiheit ermöglicht.

    Für viele Bitcoiner:innen klingt dieses Konzept schlüssig und aus einem marktspezifischen Blickwinkel sicherlich auch logisch. Das Problem ist jedoch, dass Private Cities soziale Ungleichheit fördern können, da sie nur für diejenigen zugänglich sind, die entweder das passende Kleingeld besitzen oder mindestens zur Philosophie dieser Stadt/Zitadelle passen.

    Einfach ausgedrückt, könnten Bitcoin-Zitadellen möglicherweise Diskriminierung fördern, da nur diejenigen willkommen sind, die vermeintlich dazu passen und die nötigen SATS (kleinste Einheit von Bitcoin) besitzen.

    Natürlich sind das nur meine subjektiven Annahmen und vielleicht darf man auch ohne Bitcoins in diese Städte. Aber wenn wir einmal für fünf Minuten das Thema Geld ausblenden und darüber nachdenken, ob wir nicht in einer offenen Welt leben möchten, in der jeder Mensch überall willkommen ist, weil er in erster Linie 'Mensch' ist, dann sind Mauern und unternehmerisch geführte Kommunen womöglich nicht die beste Wahl.

    Mir ist natürlich bewusst, dass, wie bereits oben erwähnt, nicht alle dieses Konzept buchstäblich nehmen und es für viele nur eine Metapher für finanzielle Souveränität ist. Leider wird dass meiner Meinung nach in der Community nicht ausreichend hinterfragt, was es tatsächlich bedeutet, in Zitadellen zu leben.

    Warum ich glaube das Bitcoin-Zitadellen eher konträr zur Idee von Bitcoin stehen

    Ich war vor einigen Wochen mit einer Freundin auf der Ostrale in Dresden, einer Ausstellung zeitgenössischer Kunst. Dort ist mir vor allem das Kunstwerk von "Matteo Suffritti" aufgefallen, da es sich mit dem Phänomen auseinandersetzt, dass wir in einem Glashaus leben und der Großteil der Welt in Armut vor unseren Toren hockt. Das Kunstwerk definiert einen privilegierten Raum, in Höhe, Tiefe und Breite. Dieser Raum ist fast unpassierbar und nur schwer zu erschließen. Innerhalb dieses Raums geht es allen Menschen gut, aber am Rand stapeln sich die Favelas. Auch wenn der Künstler ein Problem der Gegenwart anspricht, war es für mich ein Ansporn, diesen Artikel hier zu schreiben da ich viele parallelen zu den Bitcoin-Zitadellen befürchte. Matteo Suffritti Host Communities 3

    Damit alle verstehen warum ich glaube das Zitadellen nicht zum Konzept von Bitcoin passen hier eine kurze Auflistung.

    Dezentralisierung: Bitcoin wurde ursprünglich als dezentralisiertes Zahlungsmittel entworfen, das der Kontrolle einzelner Einheiten entzogen ist und das weltweit verfügbar ist. Die Konzentration von Bitcoin in bestimmten geographischen Standorten oder Gemeinschaften, wie es in einer "Bitcoin-Zitadelle" der Fall wäre, könnte als eine Form der Zentralisierung betrachtet werden.

    Zugänglichkeit und Inklusion: Eine der Hauptziele von Bitcoin ist es, ein inklusives Finanzsystem zu schaffen, das für alle zugänglich ist, unabhängig von ihrer geographischen Lage oder ihrem wirtschaftlichen Status. Die Idee von Bitcoin-Zitadellen könnte diese Zugänglichkeit einschränken, indem sie Gemeinschaften schafft, die nur für diejenigen zugänglich sind, die bereits Bitcoin besitzen oder die finanziellen Mittel haben, um darin zu investieren.

    Risiko von Ungleichheit: Bitcoin-Zitadellen könnten das Potenzial haben, soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten zu verstärken. Wenn der Zugang zu diesen Gemeinschaften auf diejenigen beschränkt ist, die bereits in Bitcoin investiert haben, könnte dies die Kluft zwischen den "Haves" und den "Have-nots" (arm und reich) vergrößern.

    Entgegenwirken der Dezentralisierung der Macht: Die Grundidee von Bitcoin ist es, die Macht zu dezentralisieren und sie in die Hände der vielen zu legen, statt sie bei wenigen zu konzentrieren. Bitcoin-Zitadellen könnten jedoch genau das Gegenteil bewirken, indem sie die Macht in den Händen einer kleinen Gruppe von Menschen oder Organisationen konzentrieren, die die Kontrolle über diese Gemeinschaften haben.

    Mangelnde Kritikfähigkeit in bestimmten Teilen der Community

    In einer Podcast-Folge des YouTube-Kanals "Blocktrainer", die vor einigen Jahren ausgestrahlt wurde, durfte Titus Gebel über seine Privatstädte in Honduras berichten. Anhand dieses Beispiels möchte ich aufzeigen, dass Narrative in der Community oft festgefahren sind und der Diskurs aus ideologischer Sicht verhindert wird. Was mich an dem Gespräch störte, war die fehlende Kritik und die ausschließliche Debatte darüber, wie Bitcoin dabei helfen kann, diese Projekte voranzutreiben.

    Als ich mich kritisch zu dem Gespräch in den Kommentaren äußerte und auf die vermeintlichen Interessen und Verbindungen (Degusa Goldhandel, Peter Thiel) von Titus Gebel hinwies und auf die Arbeit von Andreas Kemper aufmerksam machte, wurde mir vom Blocktrainer entgegengetreten. Er sagte, dass er Andreas Kempers Arbeit kennt und einige davon zwar gut findet, aber weil Andreas Kemper ein bekennender Sozialist ist, dem Ganzen nichts abgewinnen kann. Leider kann ich den Wortlaut nicht mehr vollständig wiedergeben, da diese Podcast-Folge gelöscht wurde und somit auch sämtliche Kommentare. Ich möchte auch gar nicht gänzlich gegen die Idee schießen doch sind die Verbindungen und Interessen dieser Leute vermutlich eher Konträr zu dem was Bitcoin will.

    Generell, ich habe nichts gegen den Blocktrainer! Ich halte einen großen Teil seiner Arbeit zur Aufklärung über Bitcoin, besonders im Blick auf komplexe technische Aspekte, für wichtig. Da er jedoch auch eine große Reichweite hat und vermutlich die erste Anlaufstelle für viele neue Bitcoiner:innen hinsichtlich der Informationsbeschaffung ist, finde ich es wichtig, ihn zu kritisieren.

    Wir könnten jetzt noch über einige weitere Begrifflichkeiten sprechen (Gesundes Geld, Steuern sind Raub, ...) aber ich denke ich belasse es dabei und hoffe das ich zumindest etwas zum nachdenken anregen konnte. Denn manchmal steckt hinter einem vermeintlich Harmlosen Narrativ mehr als man zuerst vermuten mag.

    Ich kann das Buch von Andreas Kemper empfehlen "Privatestädte: Labore für einen neuen Manchesterkapitalismus". Mir hat es geholfen die Idee hinter Privatstädten besser einordnen zu können.

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